Schröpfen: Druck durch Unterdruck nehmen

In alten Zeiten nutzte man Tierhörner und Bambus, heutzutage werden die kreisrunden Flecken am Körper mit Gläsern erzeugt. Das Schröpfen ist eigentlich eine sehr alte Therapiemethode, die auch in Europa weit verbreitet war. Sie löst Spannungen, Schmerzen und verklebtes Bindegewebe. Wie die Methode funktioniert und was es dabei zu beachten gilt, erklärt Biomedica-Dozent Godi Renz.

schroepfglas und hand k

«Das Schröpfen ist die etwas andere Art von Massage», so Godi Renz. Es ist ein seit Jahrtausenden genutztes Behandlungswerkzeug der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und gehörte auch in der Antike bei ägyptischen und griechischen Ärzten zur medizinischen Kunst. «Es wurde noch im 18. Jahrhundert von unseren Urgrosseltern genutzt, dann geriet es in Europa etwas in Vergessenheit. Jetzt, mit dem starken Aufkommen der TCM, hat es wieder an Bedeutung gewonnen», erklärt der erfahrende TCM-Spezialist. 

Das Schröpfen ist eine mechanische Manipulation des Gewebes. Dabei wird auf der Haut durch das Erhitzen von kreisrunden Gläsern oder dem Ansaugen mittels Saugaufsätzen ein Unterdruck erzeugt. «Im Vergleich zu einer manuellen Massage, wo man drückt und loslässt und das Gewebe wie ein Schwamm wieder nachlässt, geschieht beim Schröpfen genau das Gegenteil – die Haut wird angesogen.» Diese Beeinflussung ermöglicht das Lösen von Faszien, das Auseinanderziehen von Verklebungen und Spannung baut sich ab – und das auf mehreren Ebenen. «Häufig erlebe ich, wie die Patientinnen und Patienten nach dem Schröpfen laut ausatmen und entspannen, weil sich viel Druck lösen konnte.» Auch für tieferliegende Blutergüsse oder muskuläre Schmerzen hat sich diese Behandlungsweise bewährt und ist darum bei Leistungssportler sehr beliebt.

 

Mechanischer Reiz setzt Heilprozesse in Gang

«Im Prinzip werden durch das Schröpfen Selbstheilungskräfte angeregt. Man erzeugt durch den Unterdruck ein Hämatom, welches das Immunsystem aktiviert und die gesamte Wundheilungskaskade auslöst», erklärt Godi Renz. Es zieht an der Lymph- und Zellflüssigkeit, was zu einem erhöhten Zellstoffwechsel führt. Aus TCM-Sicht werden die oberen Gewebsschichten von externen pathogenen Faktoren, Feuchtigkeit, Hitze, Kälte, Qi-Stau oder Blut-Stase befreit und die Luo-Gefässe geöffnet. «Je nachdem kann das Schröpfen auch als Diagnoseelement genutzt werden, weil die Art der Hämatom-Bildung und die zu ertastende lokale Temperatur wichtige Aussagen liefern», so der in China studierte TCM-Mediziner.

Am häufigsten werde das Schröpfen am Rücken oder an Stellen mit genug Gewebe ausgeführt. Je nach vorliegender Diagnose wird zwischen verschiedenen Techniken gewählt: «Es gibt das statische, das blutige und das Blitzschröpfen - und das soll geübt sein», erklärt Godi Renz. Besonders wichtig ist das beim Einsatz von Feuer unter Einbezug der dafür notwendigen Sicherheitsmassnahmen. «In Weiterbildungen zum Thema Schröpfen liegt ein wichtiger Fokus auf dem Einüben solcher Handfertigkeiten». Bis auf die Hämatombildung, die in der Regel nach ein paar Tagen wieder verschwindet, sind kaum Nebenwirkungen bekannt. Da das Schröpfen stark ausleitend wirkt, gilt ein vorsichtiger Umgang bei sehr erschöpften Personen oder auch bei Schwangeren. Studierende lernen auch, wann das Schröpfen nicht angewendet werden soll, zum Beispiel bei offenen Wunden, Ekzemen oder im Zusammenhang mit Blutverdünnern.

Zum Dozenten

Godi Renz hat Humanmedizin mit der Fachrichtung TCM an der Beijing University of Chinese Medicine and Pharmacology in Peking studiert. Er gehört zu den ersten Schweizern, die das gesamte Studium in China absolviert haben. Neben seiner mehrjährigen praktischen Tätigkeit im Hu Guo Si TCM-Hospital, dem Sino-Japan Friendship Hospital und dem Dong Zhi Men TCM-Hospital in China hat er auch mehrere Jahre für die Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin (KIKOM) der Universität Bern gearbeitet. Er doziert bereits seit mehr als 15 Jahren an der Biomedica Zürich und gilt in der Schweiz als hochgradiger Experte für TCM und im Besonderen für die chinesischen Kräuterheilkunde. Seit gut zwanzig Jahren behandelt er in seiner eigenen Praxis in Küsnacht (ZH). Mehr zu Godi Renz unter: www.godirenz.com