M1-Prüfung: «Vernetztes Denken ist gefragt»

Sabine Borges hat vergangenen Frühling die Prüfungen für den Modulabschluss 1 (M1) für die Medizinische Grundausbildung absolviert und erfolgreich bestanden. Wie sie sich auf die grosse Prüfung vorbereitet hat und was sie anderen Studierenden empfiehlt, erzählt sie im folgenden Beitrag.

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Im März 2021 trat Sabine Borges zuerst die schriftliche und dann die praktische Prüfung für den Modulabschluss M1 bei der Organisation der Arbeitswelt für Alternativmedizin (OdA AM) an. «Nach der Prüfung war ich unsicher, ob ich tatsächlich bestanden hatte. Als ich dann den positiven Bescheid im Briefkasten fand, war ich unglaublich erleichtert und habe mich sehr gefreut.» Der Abschluss des Modulabschlusses M1 für die Medizinischen Grundausbildung ist ein wichtiger Meilenstein und Voraussetzung für den Weg zum Naturheilpraktiker mit eidgenössischem Diplom in Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) sowie den weiteren Fachrichtungen Ayurveda-Medizin, Traditionelle Europäische Naturheilkunde (TEN) oder Homöopathie. Mit rund 700 Präsenzstunden und 800 Stunden begleitetes Selbststudium werden die angehenden Naturheilpraktiker in schulmedizinischem Wissen ausgebildet.

 

Notfallsituationen klar erkennen

Behandelt werden Themen wie Anatomie, Physiologie und Pathologie. Ebenso erlernen die Studierenden praktische medizinische Untersuchungsmethoden wie zum Beispiel Muskelfunktionstests, das Abhören von Herztönen sowie Lungengeräuschen oder neurologische Untersuchungen. «Für mich war es sehr spannend, die Theorie mit der Praxis zu verbinden. Auch die intensive und differenzierte Auseinandersetzung mit Symptomen hat mir den Weg für Abklärungen erleichtert», erzählt Sabine Borges. Ein umfangreiches medizinisches Wissen sei vor allem auch für das Erkennen von Notfallsituationen gefragt, da Naturheilpraktiker mit eidg. Diplom Erstanlaufstelle für Patienten sind. Sie müssen erkennen, wann eine Weiterverweisung an eine Notfallstation oder eine ärztliche Fachperson notwendig ist.

Sabine Borges ist mit dem Gesundheitswesen vertraut, da sie vor 20 Jahren ihre Erstausbildung als Medizinische Praxisassistentin absolvierte. Sie war mehrere Jahre in führender Position einer grossen Arztpraxis als organisatorische Leitung und Praxiskoordinatorin tätig. «Es interessiert mich sehr, wie Krankheiten entstehen und was möglich ist, um diese zu behandeln. Ich habe schon seit je her eine grosse Faszination für die Welt der Medizin, schaue viele Sendungen zum Thema oder lese gern Fachberichte». Aufgrund ihrer Mutterschaft hat sie sich eine Auszeit genommen. Mit dem Wiedereinstieg ins Berufsleben entschied sie, sich der Traditionellen Chinesischen Medizin zu widmen und befindet sich nun im 3. Ausbildungsjahr an der Biomedica Zürich. «Ich spürte damals den Wunsch, etwas Neues, das die Schulmedizin ergänzt, zu lernen. Mir hat die ganzheitliche Betrachtung der TCM sehr zugesagt und die Vorstellung, dass ich als TCM-Fachperson nicht ausschliesslich zudienend bin, sondern selbstständig arbeiten darf und so auch mehr Verantwortung tragen kann.»

 

Gelernte Inhalte nachvollziehbar verknüpfen

Dank ihrer schulmedizinischen Erfahrung erhielt Sabine Borges an der Biomedica Zürich eine Anrechnung früherer Lernleistungen (AfL). So konnte sie, statt die angerechneten Kurse zu besuchen, Zwischenprüfungen zum Belegen des bestehenden Wissens absolvieren. «Es hat mir gutgetan, die angerechneten Inhalte wieder aufzufrischen. Viel Vergessenes konnte ich so wieder verinnerlichen. Das war ein Teil meiner Vorbereitung für die M1-Prüfung», erzählt Sabine Borges. Um die 700 Stunden der Medizinischen Grundausbildung zu erfüllen, hat sie ebenfalls mehrere Kurse an der Biomedica Zürich besucht. «Eine sehr gute Vorbereitung für die M1-Prüfung waren die Kurse Schulmedizin in der Praxis und Red Flags – Differentialdiagnose. Diese schliesst man sinnvollerweise als letzte ab, relativ nahe an der Modulprüfung», empfiehlt Sabine Borges. Für die schriftliche Multiple-Choice-Prüfung gilt es Fleissarbeit zu leisten und Zeit ins Lernen zu investieren. «Das Lernstoff-Volumen ist sehr umfangreich. Ich habe zur Vorbereitung während mehreren Monaten fast täglich gelernt», erzählt Sabine Borges. Es lohne sich, sehr detailliert zu lernen, da die Prüfung auch detaillierte Fragen beinhaltet. Hilfreich seien die Probeprüfungen der OdA AM, sowie Bücher mit Multiple-Choice-Fragen zur Prüfungsvorbereitung.

 

Vernetztes Denken für differenzierte Fragestellungen

Das Auswendiglernen allein reicht jedoch nicht aus. «Für differenzierte Fragestellungen braucht es vernetztes Denken. Es gilt anhand bestehender Symptome herauszufinden, was für eine Ursache beispielsweise hinter den Bauchschmerzen einer Person liegen könnte», so die erfolgreiche M1-Absolventin. Dieses Denken wird vor allem bei der praktischen Prüfung gefordert. Dort treffen die Prüfungsteilnehmenden an 5 Stationen auf verschiedene Schauspiel-Patienten mit unterschiedlichen Beschwerden. Für jeden Patienten braucht es eine kurze Anamnese, eine Beurteilung, gefolgt von der notwendigen medizinischen Untersuchung. Pro Posten hat man knappe 8 Minuten Zeit. «Da muss in sehr kurzer Zeit sehr viel Wissen abrufbar sein, welches man nachvollziehbar gegenüber den Experten für die gespielte Behandlungssituation verknüpfen und wiedergeben kann.»

Um diese Denkweise zu verinnerlichen, kann Sabine Borges das Lernen in Gruppen sehr empfehlen. «Ich habe mich mit zwei Studienkolleginnen jeweils einmal pro Woche online ausgetauscht und dabei die gelernten Inhalte besprochen. Es war gut, Eselbrücken von anderen zu hören oder auch Unklarheiten miteinander zu bereden. Den praktischen Teil haben wir bei gemeinsamen Treffen in der Schule repetiert». Heute ist Sabine Borges froh und erleichtert, diesen wichtigen Teil der Ausbildung abgeschlossen zu haben. Das anspruchsvolle Niveau der Prüfung empfindet sie als gerechtfertigt, da Naturheilpraktiker mit eidg. Diplom als potenzielle Erstanlaufstelle in der Lage sein sollten, allfällige medizinische Notfälle zu erkennen und richtig zu handeln.
«Ich komme aus dem schulmedizinischen Bereich und empfinde diese umfangreiche Wissensbasis als essenziell für die Praxis. Nun freue ich mich, einen Teil abgeschlossen zu haben und mich noch mehr in die Traditionelle Chinesische Medizin vertiefen zu können». 

 

Der Weg zum eidgenössischen Diplom mittels Höherer Fachprüfung (HFP)

Um den Titel «Naturheilpraktiker/in mit eidgenössischem Diplom» tragen zu dürfen benötigt man das ca. 4-jährige Grundstudium mit den Modulen M1-6. M1: Medizinische Grundausbildung, M2: Fachrichtung z. Bsp. TCM, M3: Gesundheit und Ethik, M4: Arbeit als Therapeut, M5: Management, M6: Praktikum. Werden alle Modulprüfungen erfolgreich absolviert, wandelt man die Abschlüsse in das «Zertifikat OdA AM» um und startet das «Berufspraxis unter Mentorat» (Begleitung durch akkreditierte Mentorinnen und Mentoren).

Diese Berufspraxis muss mindestens 2 und darf maximal 5 Jahre dauern. Das Arbeiten ist sowohl in der eigenen Praxis wie auch im angestellten Verhältnis möglich. Die Patientenabrechnungen können bereits während dieser Zeit über die Zusatzversicherungen abgerechnet werden.